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Alten Eltern gerecht werden - eine Herausforderung

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Ich lese gerade mal wieder in diesem Thema, was wohl das mit der größten Resonanz bisher im Forum war. Ich gebe Melanie recht, dass es immer schwer ist, alten Menschen ihre Lebensgrundlage zu entziehen. Wie man ja nicht ohne Grund sagt, einen alten Baum verpflanzt man nicht mehr.

Inzwischen ist ein gutes Jahr vergangen, seit es mit meiner Mutter so extrem bergab gegangen ist. Dabei haben wir im Moment, was den körperlichen Zustand angeht, sogar fast eine Stagnation, teilweise sogar wieder Fortschritte, das ist tagesformabhängig.

Die seelischen Belastungen für uns als direkte Pflegende hingegen haben extrem zugenommen. Das kommt einerseits durch die Demenz und die mangelnde Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung, aber auch durch viel Gift, was in der Familie verstreut wird. Damit bekommt man stets das Gefühl vermittelt, nicht genug zu tun, nicht genug Zuwendung zu geben und steht als herzloser Mensch dar, der man mit Sicherheit nicht ist.

Das belastet auch die Beziehung zu meiner Tochter und zu meinem Bruder, die alle immer nur Bruchstücke meiner Mutter erleben und ein völlig falsches Bild aufbauen. Wenn man nur mal alle 8 Wochen für 2 Stunden da ist, dann kann man sehr gut das liebevolle Kind oder Enkel sein, weil sich ja dann die andere Person auch noch zusammennimmt.

Ein großes Thema ist die Einsamkeit. Mama ist einsam. Und ich frage mich, wie man mit 2 Kindern, Schwiegerkindern, Enkeln und 3 Urenkeln einsam sein kann? Noch dazu das Glück zu haben, im Haus eine eigene kleine Wohnung sein eigen zu nennen, jederzeit Hilfe zu bekommen, wenn man sie braucht. Ob für die Sauberkeit gesorgt wird, für die Wäsche oder das Essen mit zubereitet wird. Ob der Pflegedienst 3x am Tag mit unterschiedlichen Menschen für kleinen Smalltalk zur Verfügung steht oder die organisierte Physio. Ob ich als Tochter spazierengehe mit ihr oder Kaffee trinke. Da bin ich dann schon etwas sprachlos. Weil ich gegen diese Art von Einsamkeit machtlos bin, weil dort Bedürfnisse da sind, die ich nicht erfüllen kann und will, weil ich neben dem ganzen Dienen auch noch ein eigenes Leben habe?

Wir haben mit Dani vor 2 Wochen einen Kurs zum Systembrett absolviert, es waren nur Frauen und alle hatten das Mutter-Thema. Forderungen der Mütter, die nicht zu erfüllen waren. Ohnmacht und Trauer bei den Töchtern, versagt zu haben, verbunden mit Rückzug.

Systemisch gesprochen, ist es aber ganz klar. Den anderen im System wahrnehmen und seine Rolle würdigen. Hallo Mama, ich sehe dich. Du bist da. Du bist meine Mutter. Aber auch: Ich kann nichts für dich tun. Jeder Mensch muss selbst mit sich im Reinen sein, das kann kein anderer leisten. Mögen wir es niemals von unseren eigenen Kindern verlangen, dass sie uns glücklich machen sollen. Das müssen wir schon selbst hinbekommen.

Ihr Lieben,

inzwischen sind wieder 8 Monate vergangen. Mama hat inzwischen ihren 94. Geburtstag erleben dürfen, die Demenz schreitet weiter voran. Es ist schwer, zuzusehen und doch so wenig machen zu können. Immer stärker zeigt sich für mich, dass Überzeugungen, die sich alte Menschen ihr Leben gedacht haben, gerade bei Demenzkranken wie in Stein gemeißelt sind. Jegliches Argumentieren hat einfach keinen Sinn mehr. Selbst, wenn es in einem Moment scheinbar verstanden oder akzeptiert wurde, ist es im nächsten Moment komplett vergessen.

Auf der anderen Seite wird das Selbstbildnis nicht der Realität angepasst. Hier ist der Demenzkranke sich weder seiner Krankheit noch der aktuellen Situation bewusst oder wenn es Phasen gibt, wo er sich dessen bewusst wird, dann ist einfach die Krankheit Schuld und es entfällt jegliche Selbstkorrektur.

Wer von Euch hat Erfahrungen mit demenzkranken Eltern und wie bleibt man mit ihnen auf Augenhöhe? Gerade letzteres finde ich extrem schwierig, wenn die irrationalen Handlungen einen ständig neu herausfordern. Einerseits ist da das Mitleid, aber es ist auch Verletzung und Wut mit einer großen Portion Hilflosigkeit.

Wir pflegen die Mama immer noch zuhause und wollten dies auch tun, so lange es irgendwie möglich ist. Aber ich merke immer mehr, wie ich an meine Grenzen komme.

Liebe Grüße

Sylvia

Liebe Sylvi,

wer selbst schon einmal in dieser Situation war, kann es total nachvollziehen. Ich habe drei Demenzfälle hinter mir. Bei zweien war ich sehr stark mit eingebunden. Meine Erfahrung ist, dass man am besten keine Themen mehr diskutiert, sondern auf die demenzkranke Person eingeht. Das heißt, einfach die Rolle spielen in die man gerade hineinkatapultiert wird. Wenn ich z.B. gerade die Schwester des Demenzkranken bin, obwohl in Wirklichkeit die Tochter oder Enkelin bin, dann habe ich die Rolle der Schwester so gut wie möglich gespielt. Wenn ich die Fremden im Wohnzimmer von dem Sofa vertreiben sollte, dann habe ich es gemacht obwohl niemand da war und die kranke Person fühlte sich wieder sicher. Wenn ich Sachen verstecken sollte, weil die bösen Leute wieder kommen, dann habe ich es gemacht, was den Vorteil hatte, dass ich dann auch wusste wo die Sachen sind und ich nicht erst wieder suchen musste. Sie fühlen sich dann ernst genommen und werden nicht böse, was der Fall ist, wenn man ihnen die Realität erklären will.

Die wenigen lichten Momente sollte man genießen und nicht mit Vorwürfen oder Erklärungsversuchen füllen, sondern mit Umarmungen und Streicheleinheiten. Das war für die Personen immer sehr beruhigend und wichtig. Natürlich geht es einem selbst sehr ans Herz und man muss lernen damit umzugehen und es nicht zu sehr an sich herankommen zu lassen. Was natürlich einfacher gesagt als getan ist. Aber wenn man sich alles annimmt, dann wird man ausgelaugt wie ein Luftballon der die Luft verliert.

Als wir bei meinem Papa an unsere Grenzen gekommen sind und die Entscheidung für ein Heim gefallen ist. War das weiß Gott keine leichte Entscheidung aber auf jeden Fall die Richtige. Wir waren trotzdem jeden Tag für mehrere Stunden bei ihm, es war ja kein Abschieben. Das dann Corona dazwischen kam, damit konnte keiner rechnen und auch nicht mit den Folgen.

Verliere dich nicht selbst, gib so viel du kannst und habe kein schlechts Gewissen, wenn du nicht mehr geben kannst. Man selbst hat auch ein recht auf ein unbeschwertes Leben.

Liebe Grüße Barbara

Ihr Lieben,

am 27.12.2021 hat meine Mama nun ihr Leben abgeschlossen. Zum Glück durfte sie bis zum Schluss ohne große Schmerzen sein und friedlich einschlafen. Ich selbst habe es geschafft, meinen Frieden zu finden mit ihr, mich nicht mehr aufzuregen und sie zu nehmen, wie sie nun einmal war. Die letzten Monate waren schwer, ich möchte das hier auch gar nicht ausbreiten, jeder, der  über mehr als 5 Jahre einen alten Menschen begleitet und gepflegt hat, weiß, wovon ich rede, noch dazu, wenn es sich um eine zunehmende Demenz handelt.

Das Interessante ist, dass es Mama verstanden hat, gegenüber den meisten anderen Familienmitgliedern, die nur gelegentlich zu Besuch kamen, bis zum Schluss ihre alte Rolle recht gut aufrechtzuerhalten. Da war sie noch die "Alte" und wir als die Pflegenden, die oft an ihren Grenzen waren, die, die übertreiben, weil es so schlimm doch gar nicht sein konnte. Das belastet dann am Ende die ganze Familie.

Als wir die Beerdigung vorbereitet hatten, ist uns die Erstfassung des Testaments in die Hände gefallen. Fassung aus dem Jahr 2000. Mit Regieanweisungen für die Beendigung. Da war sie nur unwesentlich älter als ich jetzt und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Da war an Sterben oder Pflegefall werden noch nicht mal im Ansatz zu denken. Vieles verstehe ich nicht, denn in mir ist eine so große Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens, das ich von ihr bekommen habe und ich möchte mich dieses Geschenks würdig erweisen, solange ich die Kraft und Möglichkeit dazu bekomme. Danke Mama für dieses Leben, danke für all deine Liebe und ich hoffe, ich habe dir alles zurückgegeben, was mir möglich war.

Dein Kind

Liebe Sylvi,

bei mir flossen die Tränen, als ich deine Zeilen las. Mein aller herzlichstes Mitgefühl für den Heimgang deiner Mutter. Ich kann gut nachvollziehen, wie es dir mit der Pflege deiner Mutter ging. Bei mir war es ähnlich.

Noch vor ein paar Tagen habe ich an dich und deine Mutter und auch an Dani gedacht. Wie es euch so geht. Und dann deine Zeilen. Sie haben mich sehr berührt. Du hast du jederzeit dein Bestes gegeben, so wie wir alle. Meine Mutter hatte immer weise Sprüche. Sie hat immer gesagt: Wenn du noch eine Mutter hast, dann danke Gott und sei zufrieden! Nun hat Gott auch deine Mutter zu sich geholt und ich bin der Überzeugung, dass es ihr dort besser geht. ich habe viel über den Tod gelesen als 2016 sehr viele Menschen aus unserem Leben schieden. Es ist ja nur eine Transformation und Energie geht nicht verloren. Jedoch ist der Mensch, den man geliebt hat physisch nicht mehr anwesend und das will erst mal verarbeitet werden. So ist es mir jedenfalls gegangen.

So wie du es schreibst, wir haben unseren Müttern zu danken, dass sie uns das Leben geschenkt haben und wir dürfen das Beste daraus machen.

Ich möchte mich auch noch mal ganz herzlich bedanken, dass Zen-Reiki es mir möglich gemacht hat, Reiki-Einweihungen zu erhalten und bei euch lernen zu dürfen. Dies hat mir in meiner herausfordernden Zeit sehr geholfen, als mein Mann am Jahresanfang eine schwere Lungenentzündung bekam, ins künstliche Koma gelegt und künstlich beatmet wurde. Ich konnte etwas tun für ihn, nämlich ihm täglich mehrere Stunden Reiki geben und so zu seiner Genesung beitragen. Auch habe ich die Engel beauftragt, ihm bei seiner Heilung zu helfen. Das habe ich alles euch zu verdanken. Er lag 26 Tage auf der Intensivstation, bekam einen Luftröhrenschnitt und wird künstlich ernährt. Inzwischen ist er auf Reha und es geht ihm von Tag zu Tag besser. So hat jeder sein Schicksal. Danke dass es euch gibt, auch wenn ich mich lange nicht gemeldet habe.

Elke

Liebe Sylvi,

auch von mir mein aller herzlichstes Mitgefühl.

Abschied von einem besonderen Menschen ist immer schwer und ich spreche aus einem, leider, großen Erfahrungsschatz.  Einige werden wahrscheinlich über das Wort "Schatz" stolpern aber ich habe aus jedem Abschied gelernt und irgendwann verstanden, dass uns der Tod keine Angst machen sollte, sondern wir in Frieden auf die Reise der nächste Entwicklungsstufe gehen. Das wichtigste ist immer, sich Zeit zum Abschied zu nehmen, auf welche Weise auch immer. Wenn es dir gegönnt war die letzte Zeit mit deiner Mutter zusammen zu verbringen ist es wunderbar und es hat ihr bestimmt viel geholfen und ihr das Loslassen auch erleichtert. Obwohl ich aus deinen Zeilen, dass sie sich Gedanken über ihre Beerdigung gemacht hat erkenne, dass sie sich bereits sehr früh diesem Thema gestellt hat und damit auch ihrer Angst vor dem Sterben . Ich kann dir von mir sagen, dass ich dies auch bereits für mich geregelt habe, da ich nicht möchte, dass meine Familie da steht und gar nicht wirklich weiß, was mir in diesem Punkt wichtig ist, weil wir nie darüber gesprochen haben. Auch bei dem Thema Tod habe ich eine erstaunliche innere Ruhr entwickelt und durch diese Ruhe, vielleicht hört es sich paradox an, kann ich mein Leben viel intensiver wahrnehmen. Vielleicht ist es bei deiner Mama ähnlich gewesen, sie hat den Punkt abgearbeitet und konnte sich dann auf vielen andere schöne Gedanken in ihrem Leben einlassen.

Diese innere Ruhe habe ich auch viel durch Reiki erlernt und bekommen. Dafür bin ich euch sehr dankbar.

Ich sende dir ganz viel Kraft und Stärke, da es dich bestimmt noch über einige Wochen begleiten wird.

Fühl dich gedrückt und alles Liebe

Barbara

 

@barei und @elke56

Ihr Lieben,

ich danke Euch für Eure Anteilnahme, es ist seltsam, dass ich diese beim Tod meiner Mama von Menschen bekommen habe, die ich eigentlich entweder nur virtuell kenne oder zum losen Bekanntenkreis zählen, nicht aber von denen, die mir eigentlich ganz nahe stehen müssten.

Ich weiß nicht, ob es gut ist, den eigenen Tod vorzubereiten, für mich stimmt es eher nicht. Ehrlich gesagt, es ist mir ziemlich egal, was sie hinterher mit meiner körperlichen Hülle machen, die Seele ist eh wieder frei. Meine Familie weiß, dass ich kein Grab möchte, das andere pflegen müssen, also sowas wie ein Friedwald ist ok oder noch besser verstreute Asche, die gar keinen Ort braucht. Was von uns bleibt, ist das, was wir in den Herzen der Menschen sind, die noch etwas länger auf der Erde verweilen als wir. Allein durch meine Arbeit mit Zen-Reiki habe ich meine Spuren in der Welt hinterlassen und werde dies durch meine Arbeit in den nächsten Jahren sicher noch weiter ausbauen.

Aus jetziger Sicht habe ich auch keine Angst vor dem Sterben. Aber wer weiß, wie wir denken, wenn es wirklich ernst wird? Mein Papa hatte sich was besorgt, um sein Leben beenden zu können und als er dann extrem krank war, hat er es nicht getan. Wir hielten sein Leben längst nicht mehr für lebenswert, krebskrank, ausgemergelt und mit vielen Schmerzen, aber er meinte: Ich sehe jeden Tag die Sonne aufgehen.

Meine Mama hatte mal ein Nahtoderlebnis, was sie immer als ganz toll beschrieben hat. Trotzdem glaubte sie nicht an die Seele und die Unendlichkeit des Seins von uns als Energiefelder. Sie hatte zum Ende hin auch Angst, hatte ich den Eindruck, obwohl ich immer wieder versucht habe, sie zu beruhigen. Und obwohl sie ja nicht mal 90 werden wollte und immer wieder vom Recht auf Sterben nach eigenem Wunsch nahezu besessen war, meinte sie 2 Tage vor ihrem Tod: Was soll ich denn bloß machen, ich bin doch noch viel zu jung zum Sterben. Wir Menschen sind schon sehr widersprüchlich.

Liebe Grüße

Sylvia

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